Die ersten Woche werden sich anfühlen wie Monate

-Becci

Das hatte mir meine Schwester schon vor der Abreise gesagt. Aber nach der ersten Woche schon, merke ich, wie recht sie damit hatte. Diese Woche hat sich ungelogen angefühlt wie ein Monat. So viele neue Eindrücke, neue Menschen und konstantes spanisches Gebrabbel können auf Dauer schon ziemlich anstrengend und überfordernd werden. Aber von vorne:

Ich wusste, dass der Busverkehr hier anders läuft, als in Deutschland. Aber als unser Director zum ersten Mal mit uns Bus gefahren ist, hab ich mich schon gefragt, wie zur Hölle ich das jemals alleine schaffen soll. Es gibt keinen Busplan und auch keine Haltestellen. 

Du musst die Buslinie halt einfach wissen und den Bus irgendwo anhalten, wenn du mitfahren möchtest. Enorm stressig, wenn man mich fragt. Wenn du aussteigen möchtest, brüllst du einfach „BAJAR“ durch den kompletten Bus. Das heißt so viel wie aussteigen oder absteigen. Dann hält der Bus dort und du kannst aussteigen, nachdem du 1 Sol (ca. 25 Cent) bezahlt hast. Der Preis bleibt übrigens meistens gleich, egal wie weit du fährst. 

Irgendetwas über diese Art des Transports finde ich enorm faszinierend und ich kann es kaum erwarten, mich dort einzuleben und hoffentlich bald ohne einen Puls von 3000 mit einem Bus zu fahren.

Die Innenstadt von Arequipa ist unfassbar schön. Abgesehen vom Plaza de Armas mit der Basílica Catedral de Arequipa, gibt es unfassbar viele größere und kleinere Gassen. 

Interessanterweise sind die Straßen hier nach Thema sortiert. Es gibt Gitarrenstraßen, Apothekenstraßen, Lederstraßen und so weiter. Warum genau man sich als Laden direkt neben die Konkurrenz pflanzt, konnte ich noch nicht wirklich ergründen; das ermöglichte uns aber, unseren inneren Alman raushängen zu lassen und Preise intensiv zu vergleichen. 

Nachdem wir am nächsten Tag erfolglos einen weiteren Versuch gestartet hatten, Julias Karte zurückzuerlangen, ging es für uns das erste Mal zur Arbeit. Natürlich mit dem Bus und es war diesmal schon vertrauter.

Was die Arbeit angeht, muss ich sagen, hab ich mich selten so verloren gefühlt. Zurzeit herrscht in Intiwawa enormer Personalmangel. Die Freiwilligen vom letzten Jahrgang sind größtenteils schon weg und die des neuen Jahrgangs trödeln erst langsam ein. Mit anderen Worten: Julia und ich sind gerade die einzigen Freiwilligen hier.

Irgendwie ist es also passiert, dass ich alleine, mit meinem bodenlos schlechtem Spanisch, in einer Klasse mit ca. 13 Sechstklässlern gelandet bin. Ich hab mich in diesem Moment ehrlicherweise wirklich gefragt, was ich hier eigentlich mache. Jedes Mal wenn ich einem weiteren Kind mitgeteilt habe, dass ich überhaupt nicht raffe, was es mir sagen will, ist meine Laune ein Stückchen mehr gesunken. 

Es ist ein nicht so geiles Gefühl, in einem Raum zu sein, indem du als einziger nichts verstehst, aber der Hauptansprechpartner für so ziemlich alles bist. 

Aber wie alle so schön sagen: „Mit den Kindern lernt ihr das schnell“. Wie genau das gehen soll, wenn die Kinder denken, sie wären Eminem und nuscheln bis zum geht nicht mehr, ist mir nach wie vor ein Rätsel. 

Aber trotzdem sind die Kinder sehr süß, ich mag das Projekt und ich bin mir sehr sicher, dass ich mich mit der Zeit einleben werde – das hoffe ich zumindest.

Wer uns dabei sehr geholfen hat, ist eine ehemalige Freiwillige aus dem letzten Jahr, die auch Deutsch kann. Von ihr haben wir auch unsere Wohnung übernommen und sie hat uns enorm viel über den Tagesablauf erzählt, uns Tipps aus ihrem Jahr gegeben und uns so gut es geht mit Spanisch Vokabeln ausgestattet. 

Ihr zu verdanken haben wir auch, dass wir an diesem Tag ziemlich spät im Bett lagen. Am Montagabend wurde in der Innenstadt von Arequipa nämlich in den Geburtstag der Stadt reingefeiert. Es waren so unfassbar viele Menschen auf den Straßen, das ist unnormal. Ich musste wirklich eine halbe Stunde einfach nur dumm lachen, weil man jede Sekunde von zwanzig Menschen angerempelt wird und rumgeschubst wird wie ein Schlachtopfer. Dank des Freundes der ehemaligen Freiwilligen betraten wir danach gefühlt jeden zweiten Club dieser Stadt (komplette Übertreibung, es waren vier). Dieser Freund kennt nämlich einfach jeden Menschen in Arequipa (keine Übertreibung, das ist wirklich so). Und während mich irgendein Dude über seine Kupferminen vollschwafelte, hat Julia mit nem random – gerade erst zusammengeschlagenen – Typen erstmal diese anderen Salsaskills ausgepackt.

Als wir uns am nächsten Tag mit Sahara und einem anderem Freiwilligen aus ihrem Projekt in der Stadt getroffen haben, war die Müdigkeit dementsprechend. Deshalb begaben wir uns auch nicht in die Straße des Festzugs, sondern schritten einfach so in den Gassen herum. Meine Orientierung, die eh schon absolut asslig ist, war hier zum Glück auch nur ganz leicht überfordert. Gemeinsam ließen wir den Tag mit Sonnenaufgang auf der Dachterrasse unseres Vertrauens ausklingen.

Gerade versucht Julia seit einer halben Stunde, ihre Klamotten mit einem heißen Topf zu bügeln. Klappt mehr oder weniger. Unser zweiter Arbeitstag liegt hinter uns. Ich war heute in einer anderen Klasse (keine Ahnung, warum). Diesmal war ich zum Glück nicht alleine. Der Coordinator des Yachay Projekts (alles, was mit den Kindern zu tun hat) hat mich glücklicherweise unterstützt. Von dem, was ich heute gesehen hab, werde ich den Satz „guardar tu celular“ (pack dein Handy weg) wohl enorm oft sagen müssen. Ich glaube, ich werde noch zu diesem ekligen Lehrer, der die Handys einsammelt, aber was soll man machen.

Diese erste Woche war so extrem vollgepackt mit Eindrücken und Erlebnissen, dass ich hier garnicht alles schreiben kann. Aber ich hoffe, zumindest einen kleinen Eindruck vermitteln zu können:)

11 Comments

  1. Liebe Johanna,
    Dein Blog ist richtig cool geworden und ich hab deine zwei Artikel quasi verschlungen. Du wirst bestimmt viel erleben! ich kann gar nicht glauben, dass ich in einer Woche genauso wie du in mein FSJ starte, man realisiert das wohl erst wenn man sich verabschiedet.
    In deinem geliebten Bayern gibts eh nur Gewitter (ganz Bichl&Benediktbeuern ist zerstört) und Regen, hast also bis jetzt nichts verpasst 😉

    Alles Gute dir und Julia,
    Julia

    (Richte ihr gerne liebe Grüße von ihrer Namensvetterin? aus)

    1. Hellou:)
      Dankeschön das freut mich voll;)
      Ich wünsch dir so eine unfassbar tolle Zeit in Ecuador und bin mega gespannt, von deinen Erlebnissen zu hören.

      Na sicher, richte ich aus:)

  2. Liebe Johanna, nicht nur eine Woche wird sich wie ein ganzer Monat anfühlen, das ganze Jahr wird eine feste Erinnerung und ein reicher Erfahrungsschatz in Deinem Leben sein – in jeder Hinsicht. Ich wünsche Dir, dass Du vor allem gute Erfahrungen machst, die Dich und Deine Persönlichkeit stärken. Alles Gute, Heike

    1. Hallo Johanna,
      Wow ganz schön spannend was du dort alles erlebst, man möchte sagen ein echtes Abendteuer 🤭 Ich bin mir sicher du wirst weiterhin eine tolle Zeit haben und viele spannende Erfahrungen sammeln. Bis dann, ich warte schon gespannt auf neue Beiträge 😍
      Viele Grüße Maikje 🤗

      1. Hallo liebe Maikje,
        Freut mich sehr, dass es dich unterhält😃
        Das will ich doch sehr hoffen🤞
        ich hoffe du hast ebenfalls eine Bombenzeit in deinem Boomerleben, spässle

  3. “BAJAR” wird demnächst im SEV Bus gebrüllt.

    Scherz bei Seite, kommunizierst du dann mit deiner Klasse via DeepL oder so? 👀

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